Die Entstehungsreise von „Into the Unknown“

Meine Angst vor dem Unbekannten

Ich liebe das Gefühl, wenn sich alle Teile in mir wie ein Puzzle zusammenfügen. Wenn da erst eine ganz leise Ahnung von etwas ist und nach und nach alles einen Sinn ergibt. Genauso ging es mir mit meinem neuen Bild.

Ich kämpfe schon seit längerem mit einem Gefühl der Angst, das mich immer wieder blockiert, wenn die Dinge nicht nach Plan laufen. Wenn ich die Orientierung verliere. Wenn ich keinen klaren Faden habe, an dem ich mich entlanghangeln kann. Ein Gefühl der Überforderung, das mich überkommt, wenn ich dem Chaos gegenüberstehe.  
Meine Lösung dafür?  
Ich plane. Verbessere. Bis alles perfekt ist. Bis nichts Unbekanntes mehr übrigbleibt. Auf etwas zuzugehen, ohne einen Plan zu haben, ins kalte Wasser zu springen, war lange undenkbar für mich. Doch beim Malen meines neuen Bildes hat sich plötzlich etwas in mir verändert.


Wenn das Bild seinen eigenen Plan hat

Als ich mit dem Malen begann, hatte ich einen Plan. Doch das Bild hatte bereits einen Plan für mich.  
Ich wollte Schildkröten malen, die durchs Meer schwimmen, also wählte ich die Farbe Blau. Wie immer trug ich die erste Farbschicht auf, indem ich die Farbe verdünnt mit Wasser auf die Leinwand goss. Ich glitt mit meinem Zeigefinger durch die Farbe, ließ Blau- und an vereinzelten Stellen Rosatöne ineinander fließen und deutete mit weißer Farbe Schaumkronen an, dort, wo die Wellen an der Wasseroberfläche brechen.

Doch als ich später den getrockneten Hintergrund betrachtete, wirkte dieser viel zu violett für eine Szene im Ozean. Stattdessen zeigte mir das Bild etwas anderes: In einer Ecke entdeckte ich eine blaue Form, die mich an eine Höhle erinnerte. Und vor meinem inneren Auge sah ich einen Hasen, der vor der Höhle sitzt und in die Dunkelheit späht.

Malerei als Spiegel meines Unterbewusstseins

Ich habe schon länger das Gefühl, dass meine Bilder keine reinen Erfindungen meines Kopfes sind, sondern aus meinem Inneren kommen. Ungelöste Konflikte und innere Themen treten beim Malen an die Oberfläche, als wäre mein Pinsel ein verlängerter Arm meines Unterbewusstseins. Kaum berührt er die Leinwand, übernimmt etwas anderes in mir die Führung.

Doch in diesem Moment war mir das alles noch nicht bewusst. Ich malte den Hasen und die Höhle und verstaute das Bild dann im Schrank – frustriert darüber, dass es nicht so geworden war, wie ich es mir anfangs vorgestellt hatte.

Ein paar Tage rührte ich meine Pinsel nicht an. Anstelle der anfänglichen Freude machte sich ein unangenehm vertrautes Gefühl in mir breit: Angst. Angst vor dem Neuen, vor Fehlern. Davor, mich ins Unbekannte zu wagen, ohne zu wissen, was mich dort erwartet. Angst, den Zeichen zu folgen, ohne ihr Ziel zu kennen. Die Angst vor dem Chaos.


Was, wenn ich mich auf das Unbekannte einlasse?

Ein paar Tage später saß ich am Meer und schrieb über dieses Gefühl der Angst in mir. Zwischendurch schweifte mein Blick über die Wellen zum Horizont – und mit ihm auch meine Gedanken zurück zu meinem Bild. Zum Blau, das kein Meer werden wollte. Zum Chaos, das dabei entstanden war.  
Und da tauchte wieder der kleine Hase vor meinem inneren Auge auf. Die dunkle Höhle, in die er hineinschaut – mit diesen hellen, aufmerksamen Augen...

Plötzlich fühlte es sich an, als würde das letzte Puzzleteil an seinen Platz fallen. Als würde ich endlich etwas Wichtiges verstehen. Aufgeregt lief ich zurück zum Bus, wickelte das Bild aus dem Papier und betrachtete den kleinen Hasen.  
Obwohl er dem Unbekannten gegenüber saß, sah er keineswegs verängstigt aus – sondern neugierig. Ich folgte seinem Blick in die Dunkelheit der Höhle, wo vereinzelte Wurzelstränge von der Decke herabhingen – wie geisterhafte Klauen oder zauberhafte Ranken. Es war bloß eine Frage der Betrachtung.

„Was, wenn Angst und Neugier zwei Seiten derselben Medaille sind?“, flüsterte eine Stimme in mir, „und ich selbst entscheiden kann, für welche Seite ich mich entscheide?“

Chaos als Chance

Plötzlich bekam ich einen neuen Blick auf das Thema Chaos. Chaos fühlt sich zwar überwältigend an, und gleichzeitig lässt sich nur im Unbekannten Neues entdecken. Nur im Chaos kann ich Teile von mir finden, die ich vorher noch nicht gekannt habe. Nur im Chaos öffnen sich Höhlen mit Eingängen in neue Welten – in verborgene Teile in mir. Erst dann wird das Malen zu einem Dialog, einem Gespräch mit mir selbst. Erst dann kann mir mein Bild etwas mitteilen – eine Botschaft ans Licht bringen, die zuvor im Verborgenen gelegen hat.

Ich glaube, wir haben die Wahl – so wie der Hase, die helle oder die dunkle Seite der Dinge zu sehen. Wir können das, was uns nicht gefällt, einfach beiseiteschieben und neu beginnen. Oder wir lassen uns einladen. Einladen, der Neugier zu folgen – tiefer zu schauen und etwas Unerwartetes zu entdecken – einen neuen Teil von uns selbst.

Vielleicht ist mein Bild am Ende doch ein Meer geworden – nur ein anderes, als ich erwartet hatte. Ein Meer aus Farben und Formen, das mir seine Tiefe erst zeigte, als ich den Mut aufbrachte, hineinzutauchen.


zoefee

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